No Luna E Ka Hale Kai No Kama`alewa
Dieser Chant gehört zu den am weitest verbreiteten alten Hula, die noch aktiv von vielen Halau getanzt werden und existiert in verschiedenen Text- und Choreografie-Überlieferungen.
Mit seiner teils unregelmäßigen Textform und den zwischen den Strophen eingefügten „Eala“ Sequenzen gehört er stilistisch zur Klasse der Hula `Ala`apapa. Hula dieser Form entstanden zeitlich vor den Hula `Olapa der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts mit ihrer gleichmäßigen Versform und der „Eala“ Sequenz ganz am Schluss. Vermutlich entstand die Ur-Form des Textes bereits vor dem westlichen Kontakt.
Im Archiv des Bishop Museums existieren verschiedene Tonaufnahmen des Chants aus dem frühen 20. Jahrhundert. Seit 2014 gibt es den Chant auch in einer modern instrumentierten Aufnahme von Keali`i Reichel. Anläßlich eines öffentlichen Workshops in Paris unterrichtete er eine dazu passende `Auana Choreografie, die Elemente aus 3 traditionellen Choreografien enthält, die ihm bekannt sind.
Die Choreografie in unserem Repertoire wurde 2012 von Kumu Frank Ka`anana Akima Jr. in einem privaten Workshop mit uns geteilt und stammt aus der Tradition von Uncle George Holokai. Dieser war Schüler von Kumu Tom Hiona und so geht die Choreografie vermutlich auf ihn zurück. Von wem er sie erlernte, ist uns nicht bekannt.
Der Chant schildert eine Momentaufnahme aus der Pele-Hi`iaka-Saga. Hi`iaka, die jüngste Schwester der Vulkangöttin Pele, befindet sich auf der Rückreise von Kaua`i, wo sie den Geliebten ihrer Schwester, den sterblichen Lohi‘ au, zum Leben erweckt hat und nach Hawai`i bringen soll. Als Gegenleistung hatte sie ihrer älteren Schwester das Versprechen abgenommen, auf ihre beste Freundin Hopoe und ihre geliebten Lehua-Blütenhaine Acht zu geben.
Die junge Göttin Hi`iaka entwickelt ihre heilerischen und hellsichtigen Fähigkeiten während dieser gefährlichen Reise zu voller Kraft. Kurz vor der Überquerung des Ka`ie`ie Waho Kanals zwischen Kaua`i und O`ahu, in dem die Seegöttin Moananuikalehua lebt, schweift ihr Blick weit über die Inselkette bis nach Hawai`i, wo sie nach ihrer Freundin Hopoe und den Lehuafeldern Ausschau hält.
Kahalekai und Kama`alewa sind vermutlich Namen von Orten an der Südost-Küste Kaua`is, die im Laufe der Zeit verloren gegangen sind. Die sterbliche Hopoe wird hier poetisch von einer hochstehenden Lehuablüte symbolisiert. Sie steht über den anderen Blüten, ihre enge Freundschaft zur Göttin Hi`iaka zeichnet sie aus. Für die normalen Sterblichen, den „Kanaka“, die sie herab in deren Niederungen zu ziehen drohen, ist sie Tabu.
In der dritten und letzten Strophe verlagert sich die beschriebene Sinneswahrnehmung vom Sehen zum Hören: die Kiesel im Meer bei Kea`au poltern, die Pandanus-Palmen von Puna rauschen. Die Naturgeräusche wirken bedrohlich und scheinen böse Dinge anzukündigen. Wenig später wird Pele, die vermutet, dass Lohi`au ihr mit Hi`iaka untreu geworden ist, Hopoe töten und die Lehua-Haine verbrennen.
Die Grundstimmung des Chants ist wie das Wetterleuchten am Horizont, eine unbestimmte Vorahnung von Gewalt, Leid und Zerstörung.